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Vergleichende Differentielle und
Persönlichkeitspsychologie |
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Pressemitteilungen: Übersicht Geschlechtsunterschiede - keineswegs so universell wie bisher gedachtWie bei vielen anderen Arten auch, sind bei Kapuzineraffen die Männchen größer als die Weibchen. Verhalten sich Kapuzineraffenmännchen auch draufgängerischer, neugieriger und weniger ängstlich als Weibchen? Weit gefehlt. Eine neue Studie zeigt, dass im Verhalten von Kapuzineraffen Geschlechtsunterschiede weitgehend fehlen. Diese neuen Ergebnisse werfen ein ganz neues Licht auf eine uralte Frage.
Kapuzineraffen sind für ihre außergewöhnlichen Intelligenzleistungen bekannt. Nun hat ein internationales Forscherteam um Jana Uher (Primate Personality Net & Freie Universität Berlin), Elsa Addessi und Elisabetta Visalberghi (ISTC-CNR Laboratory of Cognitive Primatology, Rom, Italien) Kapuzineraffen in einer großangelegten Verhaltensstudie erstmals umfassend auf individuelle Verhaltensunterschiede untersucht. Im Centro Primati in Rom wurden 26 erwachsene Hauben-Kapuzineraffen in 15 verschiedenen Verhaltenstests untersucht, in denen die Affen z.B. neue Objekte untersuchen, verschiedene Apparate betätigen oder mit Menschen und Artgenossen interagieren konnten. Zusätzlich wurden sie kurz vor der Fütterung und bei ihren alltäglichen Aktivitäten in ihren Gruppen beobachtet. Die Verhaltenstests wurden auf Video aufgezeichnet und später softwaregestützt kodiert; die Beobachtungen wurden computerisiert protokolliert. Insgesamt wurden 146 Verhaltensvariablen erhoben. Diese minutiöse und umfassende Registrierung des individuellen Verhaltens der Affen in vielfältigen Situationen ermöglichte sehr detaillierte und aufschlussreiche Analysen.
Bisher wurden "Persönlichkeitsunterschiede" vor allem über die menschliche Alltagssprache untersucht - ein Großteil der Forschung zu menschlichen individuellen Unterschieden basiert auf den personbeschreibenden Alltagsworten in unseren Wörterbüchern und vor allem auf standardisierten "Persönlichkeits"-Fragebögen. Diese Methoden können untersuchen, was Menschen über sich und andere Menschen oder auch über Individuen anderer Arten denken und wie sie dies beschreiben - jedoch nicht, wie sich diese Individuen tatsächlich verhalten. Die Kapuzineraffenstudie basiert deshalb auf einem neuen
Forschungsparadigma, das Jana Uher entwickelt hat, um
"Persönlichkeitsunterschiede" unabhängig von der menschlichen Alltagssprache
zu untersuchen und zu kategorisieren. Es umfasst auch neue Methodiken und
Forschungsansätze, mit denen individual-spezifische Verhaltensmuster nicht
nur beim Menschen, sondern auch bei nichtmenschlichen Arten systematisch
untersucht werden können. Die Studie erläutert und demonstriert die
Anwendung des neuen Paradigmas. Wieder andere Kapuzineraffen wandten sich ihren menschlichen Beobachtern nur dann zu, wenn es Futter gab. Dass individuelles Verhalten situations-spezifisch ist, ist bereits beim Menschen und bei Großen Menschenaffen gut dokumentiert. Sie stellt eine wichtige Komponente der enormen Vielfalt dar, in der Individualität zutage tritt.
Besonders verblüffend und unerwartet war der Befund, dass die Kapuzineraffen außer in der Aggressivität und Dominanz keine Geschlechtsunterschiede im Verhalten zeigten, obwohl die Männchen größer und schwerer als die Weibchen sind, so wie bei vielen anderen Arten auch. Vielmehr fanden sich bei beiden Geschlechtern ausgeprägte individuelle Unterschiede. So gab es sowohl bei den Männchen als auch bei den Weibchen Individuen, die ein großes quer in den Raum gehängtes Bettlaken, das ca. 20 mal größer war als sie selbst, neugierig erkundeten, während andere Individuen es nur ganz zaghaft erkundeten und wieder andere Individuen sogar jegliche Berührung vermieden. So nutzte das Männchen Sandokan das Laken mehrfach als Rutsche, während Vispo, ein anderes Männchen seiner Gruppe, sogar auf zwei Beinen aufrecht über den Balken lief, an dem das Laken fixiert war, nur um es nicht mit seinen Händen berühren zu müssen. Wie beim Menschen gab es zwischen diesen Extremen alle möglichen
Variationen sowohl bei den Männchen als auch bei den Weibchen. Diese neuen
Ergebnisse stellen bisherige Annahmen zur Universalität von
Geschlechts-unterschieden in Frage. Sie zeigen, dass bei Arten, die in
Gruppen leben, die von einem männlichen Individuum angeführt werden, trotz
deutlicher Unterschiede in der Körpergröße keineswegs typisch männliche und
typisch weibliche Verhaltenstendenzen auftreten müssen. Beurteilungen sind jedoch allein schon über die Alltagssprache stark durch soziokulturelle Sichtweisen geprägt, die unsere Beurteilungen individuellen Verhaltens unbewusst beeinflussen. So werden im Alltagsleben dieselben Verhaltensweisen oft sehr unterschiedlich bewertet, je nachdem ob sie von einem männlichen oder weiblichen Individuum gezeigt werden. Deshalb sind Fragebogen-Beurteilungen zur Untersuchung von Geschlechtsunterschieden, die im individuellen Verhalten tatsächlich beobachtbar sind, nicht geeignet. Möglicherweise stellen die wegen ihrer einfachen Handhabung häufig genutzten Fragebogenmethoden eine bislang weit unterschätze Fehlerquelle dar. Zudem ist bekannt, dass kulturelle Vorstellungen über typisch männliche und weibliche Verhaltensweisen - d.h., Geschlechts- und Genderstereotypen - das Verhalten von Individuen in soziokulturell erwünschte Richtungen beeinflussen und verändern. Wie viele Studien schon gezeigt haben, lernen Kinder erst im Laufe ihrer Entwicklung, die spezifischen Vorstellungen ihrer jeweiligen soziokulturellen Gemeinschaft zu übernehmen und sich entsprechend zu verhalten. Möglicherweise sind Geschlechtsunterschiede beim Menschen viel weniger stark biologisch angelegt als häufig angenommen. Die neue Studie mit Kapuzineraffen belegt zumindest, dass auch deutliche Geschlechtsunterschiede in der Körpergröße nicht prinzipiell mit Geschlechtsunterschieden in einer Vielzahl von Verhaltensweisen einhergehen müssen wie bisher oft angenommen. Interessanterweise fanden sich in der großen Vielzahl untersuchter
Verhaltensweisen auch kaum Altersunterschiede; ältere Kapuzineraffen waren
lediglich etwas weniger impulsiv als jüngere. Zwar waren alle Affen bereits
erwachsen, doch waren ihre Altersunterschiede mit einer Spanne von 8 bis 33
Jahren recht groß. Die Analysen zeigten zudem, dass ältere Affen in ihren
individuellen Verhaltensweisen nicht stabiler waren als jüngere. Vielmehr
gab es auch hier große individuelle Unterschiede. So gab es sowohl unter den
jüngeren als auch unter den älteren Kapuzineraffen Individuen, die sehr
stabile Verhaltentendenzen zeigten und deren Verhalten dadurch für
menschliche Beobachter besser vorhersagbar war als das Verhalten von
Individuen, die sich von Tag zu Tag sehr unterschiedlich verhielten.
Derartige individuelle Unterschiede gibt es auch beim Menschen und bei
Großen Menschenaffen. Sie stellen eine weitere Komponente der Vielfalt dar,
in der Individualität zutage treten kann. Diese Ergebnisse sind bemerkenswert, denn alle Affen wurden bereits während ihres ersten Lebensjahres regelmäßig mit ihren Artgenossen in Kontakt gebracht und konnten bereits mit einem Jahr vollständig in eine Gruppe integriert werden. D.h., alle Affen lebten bereits seit über 7 Jahren, manche sogar seit 32 Jahren ununterbrochen mit Artgenossen zusammen. Dennoch hatten die frühkindlichen Erfahrungen einen deutlichen Einfluss auf ihr Verhalten als Erwachsene. Diese Ergebnisse zeigen, wie langfristig die Auswirkungen sind, die die Handaufzucht von Affenkindern in zoologischer Haltung auf ihr Sozialverhalten sowohl gegenüber Menschen als auch gegenüber ihren Artgenossen haben kann. Die Studie ist Teil eines von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG finanzierten Projekts. Uher, J., Addessi, E., & Visalberghi, E. (2013). Contextualised behavioural measurements of personality differences obtained in behavioural tests and social observations in adult capuchin monkeys (Cebus apella). Journal of Research in Personality, 47, 427-444. https://doi.org/10.1016/j.jrp.2013.01.013 [Download] [Supplemental material] [Highlights] Uher, J. (2013). Personality psychology: Lexical approaches, assessment methods, and trait concepts reveal only half of the story. Why it is time for a paradigm shift. Integrative Psychological and Behavioral Science, 47, 1-55. https://doi.org/10.1007/s12124-013-9230-6 [Download] [Highlights] Letzte Aktualisierung 14.02.2014 Keywords: Cebus apella,
Geschlechtsunterschiede, Altersunterschiede, Statusunterschiede,
Verhaltensunterschiede, Persönlichkeit, Beurteilung, individuelle
Unterschiede, Rating, individuelles Verhalten, individual-spezifisches
Verhalten, Beurteilungsfehler, Stereotypen, Geschlechtsstereotypen,
Altersstereotypen, Verhaltenstest, Verhaltensbeobachtung, Primaten,
Kapuzineraffen, Haubenkapuziner. |
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